Abgeholzt, verbrannt und kahl gefressen
Vom Überlebenskampf des Eifelwaldes
von Ulrich Siewers
Solange Menschen in der Eifelregion leben, haben sie Nutzen aus dem Waldreichtum für sich beansprucht. Um Platz für ihre Siedlungen zu schaffen, haben sie ihn zunächst mit Axt und Feuer gerodet. Die Wälder lieferten ihnen das Material zum Bau von Behausungen, Befestigungsanlagen und allerlei Werkzeugen. Sie sorgten für warme Mahlzeiten und halbwegs erträgliche Temperaturen in den zugigen Behausungen an kalten Tagen. Außerdem brauchte man immer mehr Flächen um die Siedlungsgebiete herum für den Feldbau. Als unsere Zeitrechnung einsetzte, war bereits ein Viertel der ursprünglichen Waldfläche verschwunden.
Eisenproduktionmittelalterliche Köhlerei
Bereits Kelten und Römer nutzten das heimische Eisenerz zur Herstellung von Waffen und Gerätschaften. Vom Mittelalter an bis zum Ende des 30-jährigen Krieges und später noch einmal nach der französischen Besatzungszeit bis ca. 1840 gab es in der Eifel eine äußerst rege Eisenproduktion. Die dazu benötigten Mengen an Holzkohle, 40 Kubikmeter Holz je Tonne produziertes Eisen, lieferte der Wald. Überall im Land rauchten die Kohlenmeiler. Was nicht direkt an die Schmelzöfen abgeliefert wurde, gelangte mit Karren über die Kohl(en)straße aus dem Eifelhochland nach Osten zu den Häfen am Rhein.
Lederproduktion
Eine weitere Belastung für die Eifelwälder war das Schälen junger Eichen- und Buchenstämme zum Gewinn der Rinden (Lohe). Sie enthielt die für die Lederherstellung wichtige Gerbsäure. Die Rinde wurde im Frühjahr abgelöst, über den Sommer getrocknet und im Herbst an Händler und Gerbereien verkauft. Das Material wurde anschließend gemahlen. Daraus stellten die Lohgerber eine Brühe her, in der Tierhäute eingelegt wurden. Das nicht benötigte Holz wurde verbrannt oder zu Kohle verarbeitet.
Waldweide
Zu dieser Übernutzung der Eifelwälder kam noch die Waldweide durch Rinder, Schafe und Schweine. Das Vieh wurde in den Laubwald getrieben, wo vor allem die jungen Trieben sowie Eicheln und Bucheckern als Nahrungsgrundlage dienten. Junge Bäume hatten häufig keine Chance nachzuwachsen. Der Wald wurde buchstäblich aufgefressen. So entstanden im Laufe der Jahre großflächige Waldheiden.
Der Wald diente aber nicht nur als Viehnahrung, sondern auch als Grundlage für die Produktion von Getreide. Im gesamten Eifelgebiet betrieben die Bauern die sogenannte „Rott- und Schiffelwirtschaft“.
Rottwirtschaft
Bei der „Rottwirtschaft“ wurden Gemeindewaldbestände in Abständen von 15 bis 20 Jahren gehauen und Teile des Holzes auf der frei gewordenen Fläche verbrannt. Übrig blieb Asche, die einer primitiven Düngung gleichkommt. Diese reichte für ein bis zwei Jahre zum Anbau von Hafer oder Roggen. Der Austrieb aus den verbliebenen Wurzelresten, der so genannter Stockausschlag, bildete in den darauffolgenden 15 bis 20 Jahren den sogenannten Niederwald. Der wiederum wurde überwiegend als Brennholz genutzt und der Zyklus der „Rottwirtschaft“ begann erneut von vorn.
Schiffelwirtschaft
Bei der „Schiffelwirtschaft“ wurde (ab ca. 1450) der Gemeindewald im Frühjahr komplett gerodet, also auch die Wurzeln der Bäume entfernt und alles im Frühsommer verbrannt. Im Herbst säten die Bauern meist Roggen, der im darauf folgenden Sommer eine durchaus gute Ernte einbrachte. Im zweiten Jahr konnten die Bauern noch mit einer durchschnittlichen Haferernte rechnen. Wenn es der Boden zuließ, wurde auch noch einmal Roggen angebaut, wenngleich der Ertrag eher mäßig ausfiel. Manchmal gedieh auch nur noch ein wenig Buchweizen. Wenn der Boden nach spätestens vier Jahren ausgelaugt war, überließ man das Land für gut 15 ? 20 Jahre seinem Schicksal. Während dieser Zeit diente es als Schaf- und Rinderweide. Die spärliche Grasnarbe war schnell abgefressen und übrig blieben nur die Pflanzen, die von den Tieren verschmäht wurden. So entstanden mit der Zeit die typischen Heidelandschaften mit ihren immergrünen Wacholderbäumen und Besenginstern. Dazwischen bildeten Heidekraut und das anspruchslose Borstgras trockene Rasenflächen. Das Heidekraut wurde regelmäßig geschnitten, gesammelt und als Streu im Stall verwendet. So bildete sich im Laufe der Jahre eine torfähnliche Bodenbedeckung. Wenn die Zeit gekommen war, wurde sie mit Schaufeln abgeplaggt (abgeschiffelt). Die Heideplaggen wurden verbrannt und im Herbst als Dünger ausgebracht. Damit begann der Bearbeitungszyklus wieder von vorn. Gemälde: Fritz von Wille
Durch den Raubbau waren die Waldbestände in der Eifel zu Beginn des 19. Jahrhundert fast völlig verschwunden. Die riesigen Heideflächen, auch in der Osteifel, reichten oft bis zum Horizont. Fritz von Wille, der große Eifelmaler, hat mit seinen Landschaftsbildern diese Epoche eindrucksvoll dokumentiert. Erst durch eine massive Aufforstung, überwiegend mit schnell wachsenden Fichten („Preußenbaum“), gelang es ab 1815 der preußischen Forstverwaltung, den völligen Niedergang des Eifelwaldes zu stoppen.
Schiffelwirtschaft
Jörg Geisbüsch „
Von der Schiffelwirtschaft zur Wacholderheide“
www.am-olle.de/Am%20Olle/Schiffelwirtschaft